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Kinderherzsport Seite 6 von 6

Eine Form der Nachbetreuung die uns wirklich weiter helfen kann

Frau Dr. med. R. Radtke-Jurczok, Berlin

Aus den Vorträgen haben wir erfahren wie wichtig Bewegung und Sport für unsere Kinder ist - sowohl für die körperliche alsauch für die psychische Entwicklung. Unsere Kinder mußten zum großen Teil viele Jahre darauf verzichten, entsprechend groß ist der Nachholbedarf.
Was ich noch aus den Vorträgen heraus gehört habe, ist die Sorge, wir Eltern würden aus Angst unsere Kinder am Ausleben ihrer Bedürfnisse hindern und dies ganz unnötig, weil die Kinder ihre Grenzen kennen und einhalten („overprotecting mother”).

Ich möchte einmal versuchen, diese verzwickte Lage aus meiner Sicht als Mutter und aus der Sicht unseres Sohnes zu beschreiben.

Unser Sohn (Fallot IV und Pulmonalatresie, Korrektur 1989, seither zunehmende Pulmonalstenose) ist jetzt 10 Jahre alt. Er treibt begeistert Sport, ob in der Schule oder zu Hause. Aber immer mehr erfährt er sehr schnell seine Grenzen. Ob er beim Lauftraining die Runden nicht schafft, bei den vielen Wettkampfspielen (andere gibt es kaum) immer ein wenig zu schnell und lange läuft, um seine Freunde nicht zu enttäuschen, und trotzdem zu langsam ist, beim Wettlauf um den eigenen Ball verliert, beim Fußballspielen das Spielfeld nicht durchrennen kann, - es endet letztlich mit Frustration, denn messen will er sich an den Leistungen seiner Altersgruppe.

Kürzlich drückte er seinen Schmerz darüber so aus: „Ich bin behindert, aber keiner sieht es mir an. Manchmal wünsche ich mir nur ein Bein zu haben, dann würde keiner von mir erwarten, dass ich rennen kann”!

Nun lassen wir ihn rennen so viel er mag und kann und auch so viel er nicht kann - wir halten die Luft an! Die Auskunft der Ärzte zur Belastung ist eher allgemein. Sie sehen unsere Kinder ja gewöhnlich nicht unter Belastung und verlassen sich darauf, dass diese ihre Grenzen einhalten.

Wenn ich unseren Sohn sehe, mit hochrotem Gesicht, völlig verausgabt, vornübergebeugt, weil die Luft nicht reicht oder die Brust schmerzt, dann bin ich mir nicht so sicher, ob er seine Grenzen einhält. Und wenn ich mir dann noch unser soziales Umfeld im Spannungsgebiet Berlins ansehe, dann bin ich mir überhaupt nicht mehr sicher, ob er seine Grenzen einhalten könnte, selbst wenn er wollte.

In dieser Situation sind für uns die Herzsportgruppe eine richtige Hilfe. Die Kinder gehen begeistert zu ihrem Sport. Hier sind alle gleich - eingeschränkt. Es kann getobt werden und selbst Wettspiele sind möglich. Hier unterliegt man nicht. Zu lernen, dass Kraft durch eine bessere Technik wenigstens zum Teil ausgeglichen werden kann, motiviert gezielt zu trainieren. In der Herzsportgruppe werden die Kinder unter der für sie typischen Belastung beobachtet (das kann ein Ergometer nicht bieten) und sie lernen z.B. durch geschätzte und gemessene Pulskontrolle auf die eigene Belastungsfähigkeit zu achten - ich denke, eine gute Chance für Kinder und Eltern, beiden gibt das mehr Sicherheit.

Dies ist eine Form der Nachbetreuung, die uns wirklich weiter helfen kann. Und noch dazu macht sie SPASS!

Und noch eine Anmerkung:

Es wäre gut, wenn wir den Klassen- und Sportlehrern eine schriftliche, aussagekräftige Information über den Umgang mit herzkranken Kindern in die Hand geben könnten. Das könnte ein Gespräch sehr unterstützen und vielleicht auch helfen, die Angst vor dem Umgang mit unseren Kindern abzubauen.

Copyright, © Mai 1996 Frau Dr. med. R. Radtke-Jurczok (Berlin)           infobox
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