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Angeborene Herzfehler Seite (Situationsbeschreibung) 14 von 15

Wer und was beeinflusst die Integration herzkranker Kinder in unsere Gesellschaft?

Eltern, Kinderkardiologen und Herzchirurgen

Die Einflussnahme auf Entwicklung und Integration der Kinder beginnt mit der Diagnose. Nur vollständig über den Herzfehler und seine Folgen aufgeklärte Eltern lernen schnell mit ihrer Angst um das Leben ihres Kindes umzugehen und sie nicht auf ihr Kind zu übertragen. Es ist die Grundvoraussetzung dafür, dass Eltern ihrem Kind ein starker Partner und guter Berater auf dem Weg in ein selbstbestimmtes Leben sein können. Heute wird die umfassende Aufklärung der Eltern von der überwiegenden Mehrheit der Kinderkardiologen und Herzchirurgen gewährleistet. Mehr noch, viele engagieren sich in ihrer knappen Freizeit zudem in Elterninitiativen und geben Ihr spezielles Wissen auf laienverständliche weise an Eltern in Seminaren weiter.

Klinikverwaltungen, Krankenkassen und Behörden

Die Entwicklung herzkranker Kinder und ihre Integration in unsere Gesellschaft ist auch abhängig vom Willen der Klinikverwaltungen, Krankenkassen und Behörden sich speziell mit den Problemen, Möglichkeiten und Grenzen herzkranker Kinder in unserer Gesellschaft auseinander zu setzen. Bis heute trifft man auf Mangel an Akzeptanz von Notwendigkeiten bestimmter unterstützender Maßnahmen.

In vielen kinderkardiologischen Zentren mangelt es zum Beispiel seit Jahren an psycho-sozialer Betreuung der herzkranken Kinder und ihrer Familien. Psychologen und Sozialarbeiter müssen in der Regel einen sehr großen und im Krankheitsbild sehr unterschiedlichen Patientenkreis betreuen. Die Zeit die ihnen für einzelne zur Verfügung steht reicht gerade aus um allenfalls einen groben Überblick über die Situation zu erhalten, nicht aber um alles zu Berücksichten und aufzuarbeiten, was erforderlich wäre. Der mangelhafte Stellenwert dieser Betreuungsmaßnahme vergrößert die Defizite der Betroffenen erheblich.

Ähnlich stellt sich die Bewertung der Notwendigkeit einer Familienorientierten Rehabilitation dar. Diese Maßnahme bewilligt zu bekommen, gehört leider noch immer eher zu den glücklichen Ausnahmen. Familien mit herzkranken Kindern sind erheblichen Belastungen im Alltag ausgesetzt. Die Eltern finden kaum Zeit für sich. Ihre Partnerschaft leidet. Sind Geschwisterkinder da, müssen Eltern Gewissenskonflikte gegenüber diesen Bewältigen. Sie haben Sorge diese Kinder ungewollt in den Hintergrund zu drängen, zu wenig Zeit für sie zu haben und dabei wichtige Einflussnahmen für die Entwicklung ihrer Persönlichkeit zu versäumen. Viele gesunde Geschwisterkinder ordnen sich und ihre Bedürfnisse oft selbst hinter die Interessen der herzkranken Schwester, des herzkranken Bruders. Fühlen sie sich vernachlässigt und zu wenig anerkannt, treten unterschiedliche Arten der Kompensation zu Tage. Während die einen sich im Übermaß ansträngen Anerkennung und Aufmerksamkeit durch schulische Leistungen bei Lehrern, Mitschülern und Eltern zu erreichen, sind andere nicht stark genug, suchen Halt und Beachtung bei falschen Freunden und durch negative Auffälligkeiten. Familienorientierte Kuren geben der gesamten Familie Zeit wieder zueinander zu finden. Sie sind deshalb eine der wichtigsten Maßnahmen zur Rehabilitation und Integration.

Aber auch die Kriterien zur Beurteilung des Grades der Behinderung eines Kindes mit einem angeborenen Herzfehler sind nicht zufriedenstellend geregelt. Die von Kinderkardiologen ausgearbeiteten Richtlinien zur Einstufung des Behinderungsgrades bei angeborenem Herzfehler sind nur als Empfehlungen gewertet. Die Einstufung der Kinder wird allerdings nicht von Kinderkardiologen durchgeführt. Den Gutachtern fehlt es jedoch in der Regel an Fach- und Sachkompetenz. Dies führt häufig zu ungerechten und vollkommen unterschiedlichen Bewertungen. Im Ergebnis sind die Einstufungen unter Umständen zu hoch oder zu niedrig. Diese Situation ist nicht nur gegenüber den betroffenen Familien ungerecht, sondern auch gegenüber den Gutachtern.

Überall ist die Rede von leeren Kassen und im Vordergrund steht die Kostenersparnis. Es scheint zunächst so, als sei zum Beispiel die Stellenbegrenzung für psycho-soziale Betreuung herzkranker Kinder und ihrer Familien an kinderkardiologischen Zentren, die geringfügige Anerkennung und Bewilligung Familienorientierter Rehabilitationen und die Begutachtung des Grades der Behinderung von Gutachtern ohne jegliche Fachkompetenz eher kostengünstig zu bewerten. Aber das Gegenteil ist der Fall. Familien, deren Belastungsgrenzen aufgrund mangelnder Hilfe bei der Bewältigung ihrer Situation überschritten werden, können zerbrechen. Daraus entsteht der Gesellschaft schließlich doch eine neue, weitaus problembehaftetere und in der Regel auch kostenintensivere Belastung.

Copyright, © 2000 Karin Nebeling, Krankenschwester           infobox
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